Literatur

Rezension: Gräser der Nacht!

März 13, 2015
„Haben wir das Recht, über die zu urteilen, die wir lieben? Wenn wir sie lieben, dann hat das wohl irgendeinen Grund, und dieser Grund verbietet es uns, über sie zu urteilen. Oder?“

 

Der Roman von Patrick Modiano ist Liebesgeschichte, Krimi und Tagebuch zugleich. Jean verliebt sich in den Sechziger Jahren in Dannie. Ein Mädchen voller Geheimnisse, Täuschungen und Lügen. Sie lässt sich ihre Briefe postlagernd zuschicken, wohnt in einem dunklen Hotel, verschafft sich nachts Zugang zu fremden Wohnungen und steht im Kontakt zu vielen zwielichtigen Kerlen, die eine undurchsichtige Verbindung nach Marokko haben. Jean, als angehender Schriftsteller von der mysteriösen Aura angetan, überwindet die scheinbar ständig lauernde Gefahr und bleibt an der Seite der jungen Frau. Das Paar verbringt viele Nächte mit Spaziergängen durch Paris.
In „Gräser der Nacht“ blickt Jean, im Abstand von mehr als fünfzig Jahren, auf diese Liebesgeschichte zurück und bringt mit der Hilfe eins Mitarbeiters der damaligen Sittenpolizei Licht ins Dunkel. Dannie war, so findet Jean heraus, in die Entführung und Ermordung des marokkanischen Oppositionspolitikers Ben Barka verwickelt. „Gräser der Nacht“ ist damit nicht nur Fiktion, sondern auch die Aufarbeitung einer tatsächlichen Staatsaffäre Frankreichs und Patrick Modianos Vergangenheit selbst, die sich in vielen Stellen des Romans in dem Erzähler Jean wiederfinden lässt.
Der spannende Blick zurück in das Paris der Sechziger zieht den Leser, gepaart mit Modianos poetischer Sprache, in einen starken Lesesog.

 

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