Literatur

Rezension: Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer!

Oktober 10, 2014
In „Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer“ verknüpft Alex Capus historisch belegbare Lebensgeschichten mit seiner eigenen Fantasie und schriftstellerischer Freiheit. Die Lebensbilder von Felix Bloch, Laura d‘ Oriano und Emile Gilliéron laufen ungekreuzt aneinander vorbei. Alex Capus konstruiert am Anfang des Romans allerdings eine Szene, in der sich alle drei Charaktere 1924 am Zürcher Hauptbahnhof hätten begegnen können. 
Nimmt man sich einmal die Zeit in dem Getümmel eines Hauptbahnhofes stehen zu bleiben und die vorbeigehenden Menschen zu beobachten, stellt man fest, dass jeder einzelne eine Geschichte verbirgt, Komik oder Tragik mit sich trägt. Menschen laufen vorbei und ihre Geschichte endet für den Beobachter da, wo sie aus seinem Blickfeld verschwinden. Alex Capus entdeckt seine Protagonisten auch am Bahnhof, verliert sie aber nicht aus den Augen, sondern verfolgt ihre Lebensgeschichte über den Bahnhof und sein eingeschränktes Blickfeld hinaus. 
Der Schweizer Felix Bloch wollte eigentlich immer etwas nutzloses machen, etwas das niemanden in Gefahr bringt. Er wird Heisenbergs Assistent und entwickelt unter der Leitung des Physikers Oppenheim die Atombombe mit. Laura d‘ Oriano wollte Sängerin werden, schafft es sich als Hutverkäuferin und Kosakensängerin über Wasser zu halten und wird irgendwann zur Spionin. Emile Gilliéron nutzt seine Begabung um einer der größten Kunstfälscher zu werden. Obwohl sie alle nicht das geworden sind, was sie werden wollten, sind Capus Protagonisten Helden.

Das Leben endet ohnehin mit einer Niederlage – spätestens mit dem Tod – aber Alex Capus weiss, dass es nicht auf die Niederlage an sich, sondern auf eine elegante Niederlage ankommt. Felix Bloch wird zum Atomphysiker, steigt aber frühzeitig aus dem Projekt aus und rettet mit seinen späteren Forschungsergebnisse mehr Menschen, als je durch eine Atombombe getötet werden könnten. Laura d‘ Oriano wird als Spionin hingerichtet, ist aber bis zum Schluss eine stolze Frau und Emile Gilliéron schafft durch seine „falsche“ Kunst ein unüberschaubar großes Gesamtkunstwerk und prägt die Kunstgeschichte, wie kein zweiter. 
Alex Capus macht in „Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer“ kein Geheimnis daraus, dass er diese realen Biografien mit seinen eigenen Träumen ausschmückt. Man sollte sich bei der Lektüre dieses Romans meiner Meinung nach ganz von den tatsächlichen Charakteren lösen und diese lediglich als inspirierende Vorlage für Capus Helden sehen. Nicht mehr und nicht weniger. Capus schreibt nicht über spektakuläre und Glück bringende Wendungen, sondern über das wahre Leben und damit umso schöner und trauriger. Nach „Leon & Louise“ der zweite fantastische Roman, den ich von Capus gelesen habe. 

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