Literatur

Meine Leseliste für den Winter

November 21, 2016

Die Geschichten und Romane von Richard Yates haben mich schon oft angelächelt, aber es bisher nie in mein Regal geschafft. Man, bin ich froh, dass sich das mit „Eine letzte Liebschaft“ geändert hat. Die Short Storys über Krieg, Abschied, Liebe und Schmerz sind düster, zärtlich und so wohl formuliert, dass ich mir bereits auf den ersten zwei Seiten mehrere Sätze angekreuzt habe. Nämlich als erinnerungswürdig. In der Welt der Rezensenten wird Richard Yates mit Tennessee Williams und Raymond Carver verglichen und stimmt, ich mag ihn genauso sehr, wie die beiden anderen. Mein Anspruch, den ich an amerikanische Schriftsteller der Nachkriegsgeneration stelle, wurde in „Eine letzte Liebschaft“ erfüllt: Die Short Storys sind tief empfundene Portraits einer Gesellschaft, die versucht den Schmerz zu vergessen, zurück in den Alltag zu finden und klug zwischen Vernunft und Leidenschaft zu vermitteln. Yates teilt Alltagshoffnungen, macht die Ängste seiner Figuren verständlich und zeigt uns, wie sich männliche von weiblicher Liebe unterscheidet.
Relativ kurze, aber wirkungsvolle und gesellschaftskritische Texte hat auch Karl Ove Knausgard geschrieben. Seine Essays sind endlich ins Deutsche übersetzt worden. „Das Amerika der Seele“ hat mir 18 seiner schonungslos ehrlichen Texte näher gebracht und mir die Angst vor seinem biografischen Mammut-Werk genommen, das in den letzten Jahren erschienen ist. Knausgard vermittelt in seinen Texten einen wichtigen Aspekt des menschlichen Daseins, der mir bereits durch mein Soziologiestudium näher gebracht wurde: Der Mensch existiert nur, wenn er von anderen gesehen wird, wenn er Teil der umgebenden Welt ist, von seiner Umwelt gesehen wird und seine Umwelt sieht. Wir existieren nur in der Wechselwirkung mit der Umgebung. Die Umgebung, die Knausgard als „sich langsam bewegende Materie, aus der unsere Träume sind“ beschreibt. Wie vielleicht alle Werke des Norwegers, lässt auch diese Textsammlung in sein intimsten Gedanken zu und erzählt Dinge, die andere verschweigen würden. Wahre Literatur.
Weniger wahr, aber dafür spannend und fesselnd ist der neue Roman „Geister“ von Nathan Hill. Die Geschichte von der Beziehung zwischen dem Literaturprofessor Samuel Anderson und seiner Mutter wird in einen politischen Kontext eingebettet und ist die Momentaufnahme einer erschütterten Gesellschaft in Zeiten der Chicagoer Aufstände 1968. Eine spannende Lektüre, auf die ich mich sehr freue.
Leicht und wolkig ist dagegen „Emilienne“. Mit dem Roman spricht Anne Berest alle Frauen an, die ein Stück von dem französischen Charme abhaben und von den Künstlerinnen der Verführung lernen wollen. Frauen, die in Paris leben versprühen Nostalgie, sind belesen, wunderschön, charmant und haben einen trockenen Humor – nahezu perfekt. Was perfekte Frauen ausmacht, ob es sie überhaupt gibt und welche Ansprüche wir an uns selber haben, erzählt die Autorin anhand von Julie. Einer französischen Elfe, die Emilienne immer wieder neidisch erblassen lässt. Wunderbare Frauen-Lektüre!
Etwas untypisch für eine Frau in ihren Zwanzigern ist die dicke Biografie über Johnny Cash, die ganz neu im Buchhandel erschienen ist. Ich gebe an dieser Stelle zu: Johnny Cash ist mein Brad Pitt, für mich der Inbegriff von Männlichkeit und Anziehungskraft und klar, wenn Johnny Cash von Joaquin Phoenix auf die Leinwand gebracht wird, ist das für mich das Größte. Ich habe eben eine Schwäche für verwegene Country-Sänger und will deswegen alles über das Leben des Mannes wissen, der uns „Hurt“ und „I give my love to Rose“ geschenkt hat. Danke, Robert Hilburn für diese Biografie!

dsc_0982dsc_0034dsc_0993dsc_0003

„Eine letzte Liebschaft“ Short Storys von Richard Yates, DVA*
„Das Amerika der Seele“ Essays von Karl Ove Knausgard, Luchterhand*
„Geister“ von Nathan Hill, Piper*
„Emilienne oder die Suche nach der perfekten Frau“ von Anne Berest, Knaus*
„Johnny Cash“ von Robert Hilburn, Berlin Verlag*

You Might Also Like

1 Comment

  • Reply Anna November 22, 2016 at 9:31 am

    Deine Bücherempfehlungen finde ich immer wieder einmalig und habe mich schon mehrmals von dir inspirieren lassen (z. B. Mondiano)! „Emilliene“ lese ich gerade und finde es einfach wunderbar, obwohl es an manchen Stellen sehr klischeehaft ist, aber wo sollte man sonst anfangen, wenn nicht bei einem Vorurteil!
    Liebe Grüße sendet
    Anna

  • Schreibe einen Kommentar zu Anna Cancel Reply