Leben Literatur

Meine Leseliste für den goldenen Herbst

September 26, 2016

Neue Jahreszeit, neue Leseliste. Nachdem ich im Juni bereits meine Leseliste für den Sommer mit euch geteilt habe und der Beitrag wahnsinnig gut bei euch angekommen ist, habe ich die letzten Wochen dafür genutzt, mich durch die vielen Neuerscheinungen zu wühlen, Besprechungen in Zeitungen und Magazinen zu lesen und mit der Hilfe meiner Cover-Intuition die schönsten Bücher für diesen Herbst herauszusuchen. Wie immer habe ich manche gelesen, einige erst angelesen oder lediglich durchgeblättert. Immer habe ich mich allerdings mit dem Hintergrund und der Thematik  der Bücher beschäftigt, sie auf gute Haptik, Druck und Gestaltung untersucht. Auf alle Veröffentlichungen habe ich gespannt hingefiedert oder sie seit gewisser Zeit, wenn sie nicht aktuell erschienen sind, aus der Ferne bewundert.
An erster und funkelnder Stelle meiner Leseliste stehen die Kurzgeschichten von Zelda Fitzgerald, die heute unter dem Titel „Himbeeren mit Sahne im Ritz“ erschienen sind und am Morgen mit einem lauten Knall in meinem Briefkasten hinterlegt wurden. Zelda, die Königin der Roaring Twenties und Ehefrau von einem Genie aka F. Scott Fitzgerald, wird von der New York Times als „unkonventionell, klug, witzig und sinnlich“ beschreiben und genau so habe ich auch die anderen Werke im Kopf, die ich in den letzten Jahren von ihr gelesen habe. Zelda mag zwar depressiv, verwöhnt und kompliziert gewesen sein, aber sie war auch voller Kreativität und Talent. Sie konnte tanzen, schreiben und Männern den Kopf verdrehen und war damit nie langweilig. Ihre Erzählungen, die erstmals auf Deutsch erschienen sind, fangen ihr glitzerndes Leben zwischen Partys, Liebe und Zweifel ein und bringen uns ihr Schillern etwas näher. Sie erzählt in ihren Geschichten von zielstrebigen Frauen, die sich die ganze Welt zu ihrer Heimat machen und das macht Spaß zu lesen. Wie wunderbar, dass Manesse einen perfekten deutschen Titel für das Buch gefunden hat, denn mehr Zelda, als Himbeeren und Sahne und das auch noch im Ritz, geht nicht.
Wer sich für das Leben von Hermann Hesse, dem wohl sympathischsten Schriftsteller überhaupt, interessiert, muss dringend „Immer nach Hause“ von Thomas Lang kaufen. Mit viel Menschlichkeit und Empathie hat der Schriftsteller einen fiktionalen Roman über die Biografie von Herman Hesse entwickelt, bei der Realität und literarische Träumerei immer wieder vor den Augen des Leser verschwimmen und nicht klar voneinander zu trennen sind. Thomas Lang hat sich dazu eine turbulente Zeit in dem Leben des später weltbekannten Schriftstellers herausgesucht und arbeitet für uns damit einen wichtigen Teil der Hesse-Biografie auf. Ein faszinierend talentiertes Buch, dass nicht nur von Hermann Hesse erzählt, sondern auch viel Geschick in der Kunst zu Schreiben lehrt.

„Darf ich fragen, was ihr Beruf ist?“ – „Ich bin Poet. Ich schreibe Gedichte, die aber beinah niemand kennt.“ 

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Von William Boyd habe ich bisher noch nichts gelesen, aber als ich „Die Fotografin“ das erste Mal auf einem Büchertisch meiner liebsten Buchhandlung entdeckte, wusste ich gleich, dass ich dieses Buch lesen und erkunden möchte. Die ersten Seiten des Buches über die junge Fotografin Amory Clay sind klug und feingliedrig, spenden Zuversicht und einen gelassenen Blick auf die Welt. Der Roman begleitet Amory auf ihre Reisen durch die Gegenwart und Vergangenheit und ich habe das Gefühl auf der Reise durch das 556 Seiten starke Buch wird sie mir zu einer engen und vertrauten Freundin werden.
Obwohl ich in Geschichte immer gelangweilt in der letzten Reihe gesessen und von Zeugnis zu Zeugnis schlechte Noten kassiert habe, bin ich historisch und gesellschaftliche interessiert. Ich lese gerne Bücher, die mir Einblicke in Kriege oder Revolutionen geben und verfolge Dokumentationen aufmerksam. Wie die Stimmung zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin war, wie den Zuschauern und Besuchern Weltoffenheit vorgegaukelt wurde und wie Nazi-Größen die ganze Stadt manipulierten, erzählt Oliver Hilmes in „Berlin 1936 – Sechzehn Tage im August“. In seinem Buch begleitet Hilmes Täter, Sportler, Gäste, Nachtschwärmer und Opfer durch den fiebrigen Olympia-Sommer und gewährt Einblicke in eine Zeit, die mir bei jeder Begegnung Angst macht, mich anwidert und aufklärt. Seitdem das Buch auf meinem Schreibtisch liegt, lese ich täglich ein paar Seiten, versuche die geballte Ladung Geschichte vorsichtig zu dosieren, um sie wirklich zu verstehen und mich nicht zu sehr damit zu belasten. Neben den historischen Tatsachen öffnet die Neuerscheinung unseren Blick für gezielte Manipulation, Verschleierung von Tatsachen aus Profitgier und warnt uns davor nachlässig mit der Wahrnehmung unseres Umfeldes zu werden. Ein tolles Buch!
Thriller sind eigentlich nicht meine Szene, aber an Jack Londons „Mord auf Bestellung“ konnte ich nicht vorbeigehen. Die Neuauflage des Klassikers von 1910 aus der Agentenliteratur ist das erste Buch in meinem Regal, das Mord und Aufklärung zum Thema hat, aber wenn man sich schon ein neues Genre erschließen möchte, dann doch am besten mit einem Klassiker von Mr. London. Dank der sicherlich brillanten Übersetzung von Eike Schönfelds freue ich mich auf die zwielichtige Verfolgungsjagd durch Amerika.

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Aufmerksame Leser wissen, wie sehr ich die Werke von J.D. Salinger verehre und meine eigenen Kinder irgendwann mal Franny und Zooey zu nennen, ist nicht ausgeschlossen. Es wird also höchste Zeit, dass ich mich intensiver mit dem Leben und Lieben des amerikanischen Schriftstellers auseinandersetze und mit Frédéric Beigbeders Roman „Oona & Salinger“ in die erste große Liebesgeschichte eintauche. Der qualmige Stork Club in New York City ist der erste entscheidende Schauplatz dieser Liebe und führt den jungen Salinger in den 40er Jahren zu der bildschönen Oona, die zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt ist. Beigbeder schickt uns durch den aufregenden Sommer – wie immer mit seiner einmalig authentischen und ironischen Sprache. Für alle Salinger-Anhänger ein wichtiges und schönes Werk.
Als ich vor zwei oder drei Wochen mein Bücherregal komplett ausgeräumt habe, um meine Bücher danach akribisch neu zu sortieren, habe ich Alex Capus ein eigenes Regelbrett gewidmet, denn der Schweizer ist in den letzten Jahren zu einem meiner Favoriten geworden. Diese Liebe hat sich verfestigt, als er mir im letzten Winter mit einem charmanten Lächeln gegenüber saß, vorlas und mir eine reizende Nachricht in eines seiner Bücher schrieb. Alex Capus ist aber nicht nur schrecklich charmant und ein souveräner Frauenheld, sondern in erster Linie ein sehr begabter Schriftsteller mit einem großen Herzen und herausragenden Recherche-Fähigkeiten. Mit „Das Leben ist gut“ hat er wieder mal ein aufrichtiges Buch über das Leben zwischen Mann und Frau geschrieben. Wer noch nie etwas von Alex Capus gelesen hat, könnte mit diesem frischen Werk anfangen oder sich an dieser Stelle zumindest den Namen für künftige Literaturwünsche merken.

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Meine Leseliste

1. „Himbeeren mit Sahne im Ritz“ von Zelda Fitzgerald, Manesse Verlag*
2. „Immer nach Hause“ von Thomas Lang, Berlin Verlag*
3. „Die Fotografin“ von William Boyd, Berlin Verlag*
4. „Berlin 1936“ von Oliver Hilmes, Siedler Verlag*
5. „Mord auf Bestellung“ von Jack London, Manesse Verlag*
6. „Oona & Salinger“ von Frédéric Beigbeder, Piper Verlag*
7. „Das Leben ist gut“ von Alex Capus, Hanser Verlag

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