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Mein Studium: Vom ersten Semester bis zur Thesis

Januar 24, 2016

Ich habe mein Studium im Herbst nach meinem Abitur angefangen und bin absolut blauäugig in das erste Semester gestartet: Keinen Plan, kein Ziel, keine Ansprechpartner. Trotzdem ist es mir irgendwie gelungen in der Regelstudienzeit von sechs Semestern zu bleiben und anfängliche Schwierigkeiten hinter mir zu lassen. Spätestens jetzt, wo ich mein BA-Studium offiziell, mit Zeugnis und allem was dazugehört, beendet habe, kann ich die letzten drei Jahren aufarbeiten, meine Geschichte und meine Ratschläge mit euch teilen. An diesem Sonntag gibt es also eine kleine Zeitreise durch mein Studium. Let´s go!

Studiengang, Bewerbung und Orientierungslosigkeit

Mein Abitur habe ich für meine Verhältnisse überdurchschnittlich gut über die Bühne gebracht. Ihr müsst wissen, dass ich nie eine fleißige Schülerin war. Ich bin ungern zur Schule gegangen, habe mich die meiste Zeit absolut unwohl gefühlt und es mit Selbstironie und viel Sarkasmus zum Abi geschafft. Dank meiner Begeisterung für Literatur, Gesellschaft und Rhetorik war ich mit dem Glück gesegnet ohne viel Aufwand halbwegs flüssig durch meine Schullaufbahn zu kommen. Genau wegen dieser Leidenschaft und meiner Faszination für gesamtgesellschaftliche Phänomene habe ich mich an der nächsten Universität für Soziologie eingeschrieben und schnell gemerkt, wie viel Kraft und Wissen in diesem Fach steckt. Meine Beobachtungsgabe konnte endlich fundiert, wissenschaftlich begründet und qualitativ belegt werden – grandios!
Die Bewerbung für einen Studiengang war also relativ komplikationslos, aber trotzdem an viel Unsicherheit und Orientierungslosigkeit gebunden. Denn wie bei so vielen Humanwissenschaften, studiert man auch bei Soziologie nicht auf eine feste und greifbare Berufsbezeichnung hin. Ja klar, ich bin jetzt Soziologin (absolut freaky, I know), aber was macht eine Soziologin? Fest steht, dass man mit einem humanwissenschaftlichen Studium eine Vielzahl an Berufen ergreifen kann, für die man sich aber nicht einzig und allein über das Studium qualifiziert. Ich kann jetzt zwar die Gesellschaft, ihre Bewegungen, ihren Geist und ihre Strukturen erklären, aber dieses Wissen muss konkretisiert und angewendet werden. Die Angst diese Hürde nicht nehmen zu können bestand am Anfang meines Studiums, ist mittlerweile kleiner geworden, aber noch längst nicht verschwunden. Folgender Satz, den ich von einer Professorin in einer meiner ersten Veranstaltung mit auf den Weg bekam, hat mich durch mein ganzes Studium begleitet und wird es auch in Zukunft tun:

„Soziologen müssen sich ihren Beruf selber schaffen.“

Dieser Rat gilt nicht nur für mich, sondern für viele andere Studenten, die mit keinem genau formulierten Berufsziel in ihr Studium starten. Es liegt an uns selber, wie wir unser Wissen einsetzen und zu etwas in der Praxis wertvollem umwandeln.

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1. & 2. Semester

In den ersten Semesters werden wesentliche Grundlage geschaffen, die für den gewählten Studiengang von Bedeutung sind und nicht unterschätzt werden sollten. Die Grundlagenveranstaltungen waren für mich die Glanzlichter der ersten Semester, weil ich dort Dinge gelernt habe, die mich interessieren und begeistern. Der anstrengende Teil war aber leider größer und hat mich viel Kraft und Zeit gekostet. Meine Nebenfächer, Politik und Volkswirtschaftslehre, haben mich mit schrecklich anspruchsvollen Klausuren gequält, durch die ich nicht mehr mit meiner Lerneinstellung aus dem Gymnasium gekommen bin. Ich musste mich von meinem „Ach, das klappt schon“ verabschieden und anfangen zu lernen. Keine leichte Aufgabe für jemanden wie mich, denn mir fällt lernen und still sitzen schwer. Meine Konzentrationsfähigkeit ist aber schnell gewachsen und bei dem zweiten Anlauf sind mir die Klausuren direkt besser gelungen.
Die Anfangsphase eines Studiums wird von den Universitäten außerdem dafür genutzt kräftig auszusortieren – schrecklich, aber wahr. Alle komplizierten Fächer, wie Statistik oder Mathe, werden in den ersten Monaten durchgezogen. Ich kann euch nur raten: stellt euch den Grausamkeiten und versucht sie nicht aufzuschieben.
Für mich, einem Mathe-Analphabeten, waren die ersten Semester die Hölle. Ohne meinen damaligen Freund hätte ich es niemals geschafft. Er hat mit mir gelernt und mir beigebracht, wie ich Formelsammlungen anwende – er hat mir das selber Beibringen beigebracht. Dafür bin ich ihm heute noch unendlich dankbar.
Kurzum: Die ersten beiden Semester waren hart und zum Großteil absolut frustrierend. Ich habe mich aber an den Studienverlaufsplan gehalten, mich eng an den empfohlenen Veranstaltungen entlanggehangelt und bin damit erstaunlich weit gekommen.

3. & 4. Semester

Nach dem ersten Jahr fing das Studium an so richtig Spaß zu machen. Ich habe Hausarbeiten über Liebe, Stereotypen  und Erwartungserwartungen geschrieben, durfte Niklas Luhmann, Émile Durkheim, Pierre Bourdieu oder Talcott Parsons lesen. Das ist eben das tolle an eine Studium: Du darfst und sollst deinen Horizont erweitern, lesen und verstehen. Das ist ein Privileg, das ich die meiste Zeit auch als solches erkannt habe.
In diesen Semestern habe ich außerdem ein Handwerk erlernt: Daten erheben, bündeln und darstellen. Eine Fähigkeit, der ich zuerst mit Abneigung begegnet bin, dann aber ihren Nutzen erkannt und schätzen gelernt habe. Eine schöne Erfahrung.
Im vierten Semester habe ich außerdem ein Praktikum gemacht, bei dem ich mein Studium eng mit meinen Nebenjobs als Journalistin verknüpfen wollte. Das ist mir dank des WDR auch gelungen. Dort habe ich drei Monate recherchiert, Radio- und TV-Beiträge produziert und anschließend die Redaktionsstrukturen analysiert. Das Praktikum konnte ich also komplett für meine eigentliche Vorliebe, den Journalismus, und anschließend für mein Studium nutzen. Für mich war das ein absolutes Erfolgserlebnis, weil es schön war zu merken, wie ich das Wissen der letzten Semester anwenden kann. Daraus ist eine wirklich schöne Arbeit entstanden, auf die ich immer noch stolz bin. Diese Erfahrung hat mich beflügelt und mich zu einer noch stolzeren Verfechterin meines Faches gemacht. Nach zwei Jahren Studium war ich schon zur bedeutungslosen Soziologin mit viel Herz und Leidenschaft geworden. Das habe ich in erster Linie tollen Professoren zu verdanken, aber auch mir selber. Ich habe mich für einen Studiengang entschieden, für den ich mich aufrichtig interessiere und nicht, weil ich damit reich werde. Eine Entscheidung, die ich nicht bereue.

5. & 6. Semester

Im fünften Semester hat sich dann alles um die Schwerpunkte gedreht. Ein schöner Teil des Studiums, der mir besonders viel Freude bereitet und mich auf meine Thesis vorbereitet hat. Ich habe eine Forschungsarbeit über die Beziehungsmodelle in „Sex and the City“ geschrieben und diese mit Liebessoziologen auseinandergepflückt und erklärt. Eine glückliche Zeit, in der ich viel gelernt habe.
Ich hatte das große Glück eine Professorin gefunden zu haben, die meinen nicht ganz korrekten wissenschaftlichen Schreibstil, der immer mehr an ein Essay oder eine Kolumne erinnerte und nie ganz auf Ironie oder emotionale Umgangssprache verzichtet hat, zu schätzen wusste. Sie war, zu meinem Erstaunen, absolut begeistert von der oben beschriebenen Forschungsarbeit und hat mir damit die Frage um meine Thesis abgenommen.
Ich durfte also meine Abschlussarbeit bei ihr schreiben, um meine vorausgegangene Forschungsarbeit weiterzuführen und zu vertiefen. Im fünften Semester hatte ich bereits alle Scheine und Punkte gesammelt und mir das sechste Semester nur für die Thesis freigeschaufelt. Jetzt kommt allerdings der große Knackpunkt: Ich habe in das letzte Semester noch ein Praktikum gelegt, das ich auf keinen Fall verpassen wollte. Problem dabei: Meine BA-Thesis ist auf der Strecke geblieben, denn wenn man 10 Stunden auf den Beinen war und um 6 Uhr aufgestanden ist, arbeitet man abends eben doch nicht mehr an seiner Abschlussarbeit. Ich habe das Praktikum über mein Studium gestellt.
Die ganze Geschichte ist darauf hinausgelaufen, dass ich meine BA-Thesis eine Woche vor Abgabetermin angefangen habe zu schreiben. Einen Fehler, das habe ich mir geschworen, den ich auf keinen Fall noch einmal machen werde. Ich habe fünf Tage kaum geschlafen, mir Vorwürfe gemacht und versucht die ganze Sache zu retten. Gott sei Dank, es hat funktioniert, aber wenn ich euch einen Rat geben kann: Überlastet euch nicht und nehmt euch reichlich Zeit für eure Abschlussarbeit. Dann müsst ihr die Korrekturzeit auch nicht mit Alpträumen und der Angst vor unangenehmen Emails verbringen.

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Fazit

Das Studium war mir tausend mal lieber als die Schule, denn man ist anonym, kann still vor sich hinarbeiten und wird nahezu nicht kontrolliert. Das benötigt zwar viel Selbstdisziplin, räumt aber auch viele Freiheiten ein. Perfekt für einen Eigenbrötler wie mich.
Ich habe in meinem Studium nicht nur viel Fachwissen erlernt, sondern besonders viel über Organisation, Leistungsdruck und über mich selber. Ich weiss jetzt, wo meine Stärken und Schwächen liegen, wie ich Menschen für mich gewinnen kann und wie ich mir Wissen schnell und effizient aneigne. Kritisch blicke ich auf die bürokratischen Strukturen einer Universität. Natürlich bilden sie einen wichtigen Rahmen, allerdings rennt man sich zwischen den verschiedenen Ämtern gerne die Füße wund, um sich am Ende doch die Antwort auf seine Frage selbst zusammenzureimen. Das ist frustrierend und sollte irgendwie, ich weiss leider auch nicht wie, reformiert werden. Mehr Durchblick und weniger Halbwissen wäre für alle hilfreich.
Wenn man aufhört sich zu vergleichen, sich an den vorgegeben Leistungsanforderungen orientiert und sich mit Themen beschäftigt, die einen persönlich interessieren, kann ein Studium eine große Spielwiese für Gedankenspiele sein.

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7 Comments

  • Reply Julia Januar 24, 2016 at 9:58 pm

    Wow, dein Studium hört sich echt toll an! Ich studiere Rhetorik und Sprachwissenschaft im 3. Semester und bin auch schon ganz gespannt auf die Zukunft :)! http://cosmicconfession.blogspot.de/

  • Reply Sophie Januar 24, 2016 at 10:15 pm

    Eine wirklich tolle Vorstellung deines Studienganges, den ich lange auch favorisiert habe. Letztendlich bin ich aber doch bei Jura hängengeblieben.
    Das Fazit bzgl. des Wesens des Studiums kann ich nur unterschreiben; wirklich auf den Punkt getroffen!
    Ganz liebe Grüße,
    Sophie

    http://www.weekdayswithsophie.wordpress.com

    • Reply Flora Januar 24, 2016 at 10:17 pm

      Danke, danke für deinen Kommentar!

  • Reply Jana Januar 24, 2016 at 11:21 pm

    Ach liebe Flora, ich lese so gern bei Dir mit. Du findest immer wieder so schöne Worte – sei es für eine Tasche, einen Lippenstift oder eben, wie hier, für Dein Studium. Du kannst so stolz auf Dich und auf das, was Du geschafft hast sein – das ist eine unglaublich tolle Leistung.
    Alles Liebe, Jana <3 (Aus dem Restaurant in Münster :-)!)

    • Reply Flora Januar 25, 2016 at 6:47 am

      Liebe Jana,

      an dich werde ich mich doch immer erinnern – hihi!
      Danke für diese Worte. Solche Kommentare motivieren und machen glücklich.

      xx F.

  • Reply Sarah Januar 27, 2016 at 9:36 pm

    Liebe Flora, ich bin immer noch schwer beeindruckt von deiner Arbeitsmoral; davon könnte ich mir eine Scheibe abschneiden. Du hast das alles, bzw du meisterst das alles (Beruf, Blog, Sozialleben) super souverän und bist so ein toller und lieber Mensch…Big love aus Berlin an dich.
    <3 Sarah

    • Reply Flora Januar 28, 2016 at 11:56 am

      Oh Sarah! Danke, danke, danke. Das kann ich alles nur zurückgeben <3

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