Leben Literatur

Films that reset your mind

August 10, 2016

Meine riesige Sammlung an Filmen wächst mir manchmal über den Kopf und ich vergesse wie viele Schätze in dem Regal neben mir schlummern. Grund genug die schönsten Filme nach und nach neu zu entdecken, in Kategorien zu bündeln und mit euch zu teilen. Ich mag natürlich romantische Komödien, Dokumentationen über Mode und Kultur, Episodenfilme, kluge Dramen und Filme, die nicht nur mit guten Schauspielern und ruhigen Schnitten, sondern auch mit einer stilvollen Ausstattung glänzen. Ich liebe es in Filmen schöne Möbel, Kleidungsstücke, Lippenstifte oder neue Literatur zu entdecken und mich inspirieren zu lassen. Besonders schön ist es, wenn diese Liebe zu Details in Filme eingebettet ist, die unseren Blick auf die Welt verändern, uns wachrütteln, uns in die freudigen und unmoralischen Abgründe anderer Menschen mitnehmen, unsere Art zu Denken umkrempeln und unser Gehirn langfristig prägen. Wir resetten uns, öffnen unsere Wahrnehmung und flechten die Botschaft des Films in unser Leben ein.

Grand Budapest Hotel

Bei Grand Budapest Hotel ist die Handlung zwar auch gelungen und sicherlich wesentlich zur Auseinandersetzung mit der Produktion von Wes Anderson, aber viel wichtiger und lehrreicher ist der Aufbau des Films. Die Geschichte um die Abenteuern von Gustave, dem unvergesslichen Concierge des pinken Hotels, das zum Schauplatz so vieler Begegnungen zwischen den beiden Weltkriegen wurde, und des Liftboys Zero thematisieren die Verwandlung Europas. Der Film ist wahnsinnig schnell, absurd und überdreht, aber deswegen nicht weniger geistreich. Ganz im Gegenteil. Grand Budapest Hotel schleudert vibrierende Farben, blitzgescheite Wortwechseln und eine große Portion Absurdität um sich, ohne an Wirkung zu verlieren oder albern zu sein. Bei diesem Film lernt man, wie Regie auch funktionieren kann, dass Kreativität keine Grenzen kennt und abgedrehte Filme wahrer als Reportagen seien können. Ein durchdachter Schabernack!

Beginners 

Zugegeben, ich bin immer für eine intravenöse Dosis Liebe zu haben und Beginners ist voller Liebe. Nicht nur Liebe zwischen Mann und Frau, sondern auch Vater und Sohn, Mann und Hund. Der Film dreht sich um warmherzige Beziehungen und die Vergänglichkeit des irdischen Lebens. Beginners trifft zielsicher auf Emotionen und macht Gefühlsduselei ausgehtauglich, außerdem ist die Lichtstimmung des Films so gelungen, dass man sich sein Leben auch in warmen Cremetönen mit kräftigen Farbakzenten wünscht. Die etwas andere Romanze ist nicht kitschig oder flach, sondern einfach herzerwärmend und menschlich. Mich hat dieser Film sehr lange begleitet und meine Wahrnehmung gegenüber Liebesbeziehung noch schärfer und aufmerksamer gemacht.

Irrational Man

Dass Woody Allen einen Volltreffer nach dem nächsten landet und seine Ideen scheinbar nie Enden – immerhin hat er in den letzten Jahrzehnten beinahe jährlich einen Kassenschlager auf die Leinwände gebracht – ist längst kein Geheimnis mehr, aber Irrational Man hat mich nach seinen Episodenfilmen doch überrascht. In dem Film zerpflückt er ganz ruhig, ohne viel Aufsehen zu erregen, den Wahnsinn des Philosophieprofessors Abe Lucas. Die jahrelange Auseinandersetzung mit schwerer Lektüre, großen Schriftstellen und der menschlichen Seele hat ihn nicht nur zu einem Alkoholiker, sondern auch zu einem Hybrid aus Schweinchen Schlau, Menschenhasser und einem Mann gemacht, der das Leben für sinnlos und nutzlos hält. Obwohl er kognitive Meisterleistungen vollbringen kann, ist er in der Welt der Philosophie gefangen, meint alle Handlungen mit den Theorien großer Denker begründen zu können – selbst seinen Mord an einem beinahe zufällig ausgewählten Menschen begründet er mit philosophischen und wissenschaftlichen Meisterleistungen. Seine stringente Rationalität hat sich selber außer Kraft gesetzt und sich in absoluten Wahnsinn umgewandelt. Joaquin Phoenix, selbst mit Bauch und in der Rolle eines Misanthropen unverschämt charmant und charismatisch (hey sexy!), verkörpert diese komplexe Rolle sehr gut und verdreht natürlich einer seiner wunderschönen Studentinnen den Kopf. Der Film ist nicht nur gut, weil er von Woody Allen ist, sondern weil er abgründig und sehr amüsant ist.

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Capote

Philip Seymour Hoffman ist für Capote in die Rolle des amerikanischen Schriftstellers Truman Capote geschlüpft und zeigt in dem gleichnamigen Film ein großes Stück Literaturgeschichte, nämlich Truman Capotes Arbeit an seinem Buch „Kaltblütig“, mit dem er einen neuen Schreibstil, den New Journalism, weiterentwickelte. Der Mord an der Familie Clutter, der 1959 in Kansas passierte, erregte die Aufmerksamkeit des Schriftstellers. Er recherchiert vor Ort, nimmt Kontakt zu den Mördern auf und lässt sich auf die Psychen der Täter ein. Was die Arbeit an dem Buch mit dem Schriftsteller macht, wie ihn die Arbeit verändert und mit welchen, oft sensationslustigen und egoistischen Mitteln er an seine Informationen kommt, arbeitet der Film auf. Ein packendes Werk, das wichtig für das Verständnis von „Kaltblütig“, Capotes Biografie und Amerika in den Siebzigern ist. Unbedingt ansehen!

Stranger than Paradise

Jim Jarmusch macht tolle Sachen. Seine Filme sind andersartig, erinnern an Theater und an die oft belastende Bindungskraft familiärer Strukturen. Sie sind autark und stellen die Figuren, nicht die Handlung in den Mittelpunkt. Sein Mut zu langsamen Geschichten, manchmal schleppenden Dialogen und ungewöhnlicher Musik hat sich gelohnt, denn all seine Filme sind groteske Meisterwerke. Sein lakonischer Humor und die spürbare Gleichgültigkeit lehrt viel über gutes und gelassenes Leben und Kunst. Stranger Than Paradise ist mein absoluter Lieblingsfilm von Jim Jarmusch und perfekt für ein Reset.

Her

In Ausstattung und Gestaltung kann man Her keinen einzigen Vorwurf machen. Architektur, Einrichtung, Styling – der Film spielt eine neue Empfindsamkeit für Stil auf unsere Festplatte und allein dafür liebe ich ihn. Noch nachhaltiger bleibt aber die Thematik des Films, Liebe im modernen Zeitaltern, in Erinnerung. Der Film spielt in der nahen Zukunft und zeigt eine Gesellschaft, die sich zu 100 Prozent auf ein hoch intelligentes Betriebssystem verlässt. Soziale Interaktion läuft nicht mehr über reelle Menschen, sondern auch über das vermenschlichte Betriebssystem, das den momentanen Systemen einen wichtigen Faktor voraus hat: Es ist emphatisch. Der Protagonist aus Her verliebt sich in sein Betriebssystem, befindet sich in einer Beziehung mit seinem Computer und stürzt sich mit all seiner Aufmerksamkeit und Kraft in die Mensch gewordene Technik. Her ist ein philosophisch höchst anspruchsvoller Film, der sich damit auseinandersetzt, was intelligente Technik mit Menschen und unserem Sozialleben machen kann, wann sich die Grenzen zwischen Illusion und Realität verschieben und beantwortet die Frage, was ein Betriebssystem können muss, damit Menschen es nicht mehr als solches entlarven, sondern sich voll und ganz darauf einlassen. Für mich war dieser Film nicht nur eine ungewöhnliche Interpretation einer modernen Großstadtromanze, sondern auch für mein Studium wichtig. Der Film gibt Aufschluss darüber, was Menschen menschlich macht und was andere „Lebewesen“ oder Dinge besitzen müssen, um von uns als Mensch wahrgenommen zu werden. Perfektes Ausgangsmaterial für eine soziologische Studie über die Formen und Entwicklung der Liebe im digitalen Zeitalter. Also wer noch ein Thema für seine Thesis braucht, sollte jetzt zuschlagen.

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