Literatur

Rezension: Chanel No 5!

Januar 8, 2014
Bei „Chanel No 5“ handelt es sich um eine unautorisierte Biografie des wohl berühmtesten Duftes der letzten 100 Jahre. Die Kulturhistorikern und Professorin Tilar J. Mazzeo arbeitet auf knapp 300 Seiten die Entstehung und Entwicklung des Parfüms „No 5“ von Chanel auf. Dabei geht sie kleinschrittig und detailgenau vor. 
Angefangen bei der Kindheit und Jugend Gabrielle Chanels, hangelt sich Mazzeo an für die Erfolgsgeschichte von „No 5“ bedeutsamen Ereignissen im Leben Chanels entlang, um den ursprünglichen Gedanken des Parfüms zu rekonstruieren. Dabei analysiert sie die Orte, Häuser und Gesellschaften, in denen Chanel sich aufhielt, hauptsächlich nach ihrem Geruch. Welche Gerüche brachte das Leben in dem Waisenhaus des katholischen Klosters Aubazine, in dem Chanel aufwuchs, hervor? Wie rochen später die Schneiderinnen und Revuetänzerinnen, mit denen die junge Coco sich umgab? Diesen Fragen geht die Autorin in „Chanel No 5“ mit eingängigen und schlüssigen Gesellschafts – und Umfeldanalysen auf den Grund. Eng mit der Schlüsselfigur dieses Duftwassers, Gabrielle Chanel, verbunden, entsteht somit ein olfaktorisches Gesamtbild. Mazzeo klärt ihre Leser auch über die vielen Mythen, die rund um die Entstehung und Komposition von Chanel No 5 bestehen, auf. In der Biografie erfährt man natürlich auch alles über die Zusammensetzung dieses Parfums. Wichtig dabei ist der Hauptgedanke Chanels: Frauen sollten nicht nach Blumen oder Gewürzen riechen, sondern nach einem besonderen Typ Frau. Für sie sollten Frauen nach gewaschener Wäsche, nach Wärme, sexy und klug duften.

Nach der Schilderung des ersten, spektakulären Auftrittes in der Gesellschaft von No 5, führt die Autorin ihre Leser durch die Erfolgsgeschichte des Parfums, mit ihren Höhen und Tiefen, bis hin in die Gegenwart. Und auch hierbei hangelt sie sich an den Schlüsselmomenten von Coco Chanels Leben entlang und schafft eine Verbindung zwischen diesen und der eigentlichen unabhängigen Entwicklung des Duftes. Für mich besonders interessant waren die Analysen der Marketingstrukturen, mit denen Chanel No 5 in der ganzen Welt bekannt gemacht werden sollte. Dass diese meist schlecht durchdacht und gestaltet waren und der zweite Weltkrieg No 5 die beste Werbung war, ist für mich wohl eine der wichtigsten Erkenntnisse dieses Buches. In der Zeit, in der deutsche und amerikanische Soldaten stundenlang in der Rue Cambon in Paris anstanden, um ein Fläschchen No 5 für ihre daheimgebliebenen Frauen zu kaufen, wurde No 5 nicht nur ein wichtiges Exportgut Frankreichs, sondern auch ein gesellschaftliches Symbol. Danach wurde Chanel No 5, trotz Wirtschaftskrisen, immer gekauft, gekauft, gekauft. Nicht nur wegen seiner neuen, besonderen Komposition, sondern eben auch durch diese große Bedeutung, die es in der Gesellschaft zugeschrieben bekam. Die Autorin thematisiert in diesem Buch noch so viel mehr, das den Rahmen für diese Rezension sprengen würde. Ich kann diese Biografie jedem, der sich für No 5, Coco Chanel persönlich, Kulturgüter unserer Zeit, historische Zusammenhänge oder Parfumherstellung – und Vermarktung im allgemeinen interessiert, empfehlen. Die Biografie ist gut recherchiert, liest sich wie ein Roman und erweitert den Horizont und die Sichtweise auf den Wert von Mode – und Kosmetikmarken.

Den größten Teil des Buches habe ich in Zügen gelesen, während ich mich in meinen Schal eingekuschelt habe, der über die Jahre den Duft von Chanel No 5 angenommen hat. Ein tolles Leseerlebnis das zu riechen, über was man liest. Diese Verknüpfung hat mir erstaunlich viel geholfen das Gelesene zu behalten und zu verarbeiten. Wer Chanel No 5 selber trägt und den Duft mag, sollte sich während dieser Lektüre damit einnebeln – dann wird die Biografie zu einem ganz neuen Leseerlebnis und einem großen Vergnügen. 

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